Rinaldo Hopf - Raggazi Di Vita - Interview

 

KUNSTBEHANDLUNG: Hallo Rinaldo, schön dass du wieder mal nach München kommst. Du hast Pasolini im Gepäck. Nach Warhol und Fassbinder deinem vielleicht wichtigstem Protagonisten? Zeig doch mal.

RINALDO HOPF: Pasolinis Filme haben gleichzeitig mit den Filmen von Fassbinder und Warhol meine Teenagerzeit geprägt und mich mit revolutionärem Elan erfüllt. Sie haben mich verwirrt, erregt und auf den Kopf gestellt - kurzum, es waren die intensivsten Einflüsse in einer schönen und schwierigen Lebensphase. Romantik, intensive Erotik und fröhliche Sexualität haben sich in ihnen mit Bedrohung, Gefahr und Gewalt verbunden. Pasolini hat all das auf die Spitze getrieben in "Salo oder die 120 Tage von Sodom". Als der Film wenige Tage nach Pasolinis Ermordung in die Kinos kam, bin ich sofort rein gegangen - musste allerdings wegen eines Brechreizes während einer besonders grausamen Szene den Kinosaal vorzeitig verlassen. Ich habe es wieder versucht - und habe es nicht ausgehalten. Erst beim 3.Anlauf ist es mir gelungen, den Film bis zum Ende anzusehen …

KUNSTBEHANDLUNG: Oh je, stimmt. Das ist mir damals im Kino in Mannheim genauso ergangen.

RINALDO HOPF: … weil ich mir sagte: "Es ist nur Kino". Bei mir entsteht die Gänsehaut vor allem, weil die Grausamkeit von "Salo" zu perfekt mit Pasolinis eigener Ermordung zusammen passte, kaum, dass er den Film fertig gestellt hatte.

KUNSTBEHANDLUNG: Der Mordfall gilt ja bis heute als ungeklärt. Der verurteilte Stricher hat zwar die Strafe abgesessen, nach der Vernehmung und als Häftling jedoch mehrfach widerrufen. ARTE hat sich in einer Sendung unlängst der Sache angenommen und verbleibt auch zu den Tatumständen  freibleibend. Hat Pasolini seinen Tod gesucht oder in Kauf genommen?

RINALDO HOPF: Das weiß man nicht. "Ragazzi di Vita" ist zwar ein Roman- und kein Filmtitel, fasst aber die Faszination, die Pasolini durchgehend auf mich ausgeübt hat, am besten zusammen. Seine Welt ist bevölkert von umwerfend schönen Halbkriminellen, schmutzig und durchtrieben, dabei dennoch liebenswert und immer bereit zu sexuellen Abenteuern.

KUNSTBEHANDLUNG: Das hört sich viel versprechend an. Welche Filme hast du dir denn wieder und wieder angeschaut?

RINALDO HOPF: "Teorema", wo ein schöner junger Gast (Terence Stamp) eine gesamte großbürgerliche Familie samt Hauspersonal völlig aus der Bahn wirft, „Mama Roma", eine Tragödie um eine Prostituierte (Anna Magnani) und ihren Sohn, "Salo oder die 120 Tage von Sodom“, "1001 Nacht“ und „Das Evangelium nach Matthäus“.